Newsletter 035 Weihnachten 2022
Liebe Quartiernetz3-Gemeinde
Mit unserem Jahresend-Rundbrief leuchten wir das vergangene Jahr aus und warten noch mit einem veritablen Primeur zum Club an der Bertastrasse 6 auf. Lassen Sie sich überraschen!
Wir wünschen Ihnen besinnliche Feiertage und bis bald im neuen Jahr!
Ihr Quartiernetz3-Team
P.S. Weiterhin können Sie Ihre Neuigkeiten auf news@qn3.ch anmelden. Bitte einen Kurztext mit Foto einsenden. Unsere Redaktion wird Ihren Beitrag prüfen, redigieren und online stellen.
Ciao Santa Lucia!
Veröffentlicht am: 25.12.2022
33 Jahre war das Santa Lucia an der Birmensdorferstrasse ein kulinarischer Treffpunkt. Und für viele eine Quartierstube. Wegen dem Umbau der Migros-Filiale wird das Lokal per Ende Jahr geschlossen.
Pete Mijnssen (Text und Foto)
Sead Pelinkovic ist gefasst, aber eine gewisse Melancholie drückt im Gespräch durch. Kein Wunder, Ende Jahr ist auch für ihn hier Schluss. Über vier Jahre leitete er das Lokal und sorgte mit seinem Team für Ruhe und eine freundliche Stimmung. Auch an den Wochenenden, wenn es im 90-plätzigenLokal wie verrückt wuselte.
Zwar seien das gerade in der Pandemie keine einfachen Zeiten gewesen, erklärt er im Gespräch, aber «danach sind praktisch alle Gäste wieder zu uns gekommen». Die nach der Lockerung erstellten Plexiglascheiben zwischen den Tischen seien geschätzt worden, auch vorsichtige Personen hätten sich rasch wieder in die grosszügigen und hohen Räume gewagt. Das war vor allem wichtig für die vielen älteren Personen aus den umliegenden Alterswohnungen und Heimen, die tagsüber hier einkehren wollen.
Sead Pelinkovic, Rufina «Annie» Baur, Xhavit Demaj (v.l.nr.)
Gemischtes Stammpublikum
Zu den 80 Prozent Stammgästen gehörten auch Familien. Kinder liebten neben dem immer bereitgestellten Gratissirup und den Farbstiften den Spielplatz in der Ecke, mit Sicht auf den Holz-Pizzaofen. Als das Santa Lucia Wiedikon 1989 eröffnete, war hier Pizzaiolo Giaccomo am Werk – ein wahrer Künstler und Showman und ein Kindermagnet. Schon fast in der Manier von Jimi Hendrix konnte er den Pizzateig vor und hinter dem Rücken hin- und her jonglieren. Viele der erwachsenen Gäste wurden wohl so herangezogen, auch wenn es heute am Pizzaofen trotz den zwei Pizzaiolos ruhiger zugeht. Mit dem Umbau und der Renovation vor 12 Jahren wurde das Lokal räumlich entschlackt und zusätzlich ein echtes Cheminee eingebaut. Auch einen Minibrunnen im Stil des Trevibrunnens gabs nun. Für die Einen purer Kitsch, aber die Kinder liebten das Glitzern der Münzen am Boden. Alle waren sich hingegen einig, dass die überdimensionalen Hanny Fries-Bilder an der grossen Rückwand noch besser zur Geltung kamen. Im Sommer versprach nun eine Terrasse im Innenhof mit sechzig Plätzen kühle Sommerabende.
Der Geschäftsführer vor dem imposanten Hanny Fries-Gemälde im Santa Lucia.
Platzkampf der Grossverteiler
Nun hat die die Hausbesitzerin Migros andere Pläne und will an diesem Ort einen Allnatura-Laden einbauen. Nebenan eröffnete dieses Jahr Coop einen Pronto, auf der gegenüberliegenden Seite soll nach der Eröffnung des Grossneubaus mit Lidl oder Aldi ein neuer Grossist einziehen. Darum bringen sich die beiden Schweizer Platzhirsche wohl schon mal in Position. Der Abwehrkampf im Detailhandel ist gnadenlos. Für ein Santa Lucia ist da offenbar kein Platz mehr, auch wenn Bindella selber nicht gerade eine graue Gastromaus ist. Ein neues Santa Lucia wird sich ab Februar an der Ecke Hohl-/Herdernstrasse finden. Deutlich kleiner, mit unter 50 Sitzplätzen.
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Knatsch um dicke Berta
Veröffentlicht am: 25.12.2022
Anfang Jahr sorgte die Ankündigung eines 24-Stunden-Clubs an der Bertastrasse für Wirbel. Nun ist das Projekt sang- und klanglos beerdigt worden. Hinter den Kulissen wird aber weiter gestritten.
Pete Mijnssen (Text und Foto)
Der Plan war kühn und die Meinungen im Quartier von Anfang an geteilt: Die Gastrofirma «Dicke Berta AG» plante auf den Herbst in der ehemaligen Brockistube an der Bertastrasse 6 einen Club mit ausgedehnten Tages- und Nacht-Betriebszeiten am Wochenende zu eröffnen (QN3 berichtete). Eine Bewilligung der Bausektion hatte sie dazu bereits in der Tasche. Die Stadt erhoffte sich damit eine Beruhigung der Nachtaktivitäten rund um das Lochergut – ein Ort, wo sich Nachtschwärmer dann in diesen Räumen aufhalten würden, statt auf den umliegenden Strassen zu krakeelen. So die sinngemässe Begründung.
Der Protest aus dem Quartier führt zu Konkurs
Die Anwohner:innenschaft sah das aber anders. 36 Parteien aus den umliegenden Liegenschaften deckten die Stadt in der Folge mit einem Sammelrekurs ein. Darin bemängelten sie unter anderem «die nachlässig durchdachte Baueingabe, diverse baurechtliche Mängel und Verletzungen umweltrechtlicher Vorgaben». Die «IG Innehof» befürchtete, dass der Stadtrat in einem – mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Wohnanteil von mindestens 80% – sehr dicht bewohnten Quartier der Stadt Zürich einen Präzedenzfall schaffe und ein beunruhigendes Signal setze. Beim traditionellen stadträtlichen Quartierrundgang im Juni deponierten sie ihren Protest und ihre Bedenken zum «Thema quartierverträgliche Nutzungsbalance», wie es der Quartierverein beschrieb. Danach wurde es ruhig um das Projekt.
Dicke Luft zwischen Betreiber und Hausbesitzer
Am 11. November vermeldete das Portal Moneyhouse die Konkurseröffnung, bzw. Liquidation der Gastrofirma. Auf Anfrage von Quartiernetz3 bestätigt Geschäftsführer Markus Lichtenstein, dass es aufgrund des Widerstands im Quartier «nicht mehr möglich war, das Projekt zu finanzieren.» Für alles weitere wird an den Hausbesitzer Eduard Barcikowsky verwiesen. Dort ist man schlecht auf die Firma und die dahinter stehenden Gastronomen von Smith & Smith zu sprechen.
Barcikowsky distanziert sich inzwischen vom Projekt und schreibt: «Die Gastrolösung war von Anfang nicht unsere erste Wahl, sondern entwickelte sich über eine Galerie, welche dann etwas Gastro für Vernissagen beiziehen wollte und so "in die Fänge" der erwähnten Personen geriet.» Man habe die «Dicke Berta AG» in der Folge mit einer einstweiligen Schadenersatzforderung von ca. 100'000 CHF konfrontiert. Kern des Streits soll eine ohne Wissen des Hausbesitzers abgeänderte Betriebsbewilligung sein, welche QN3 vorliegt. Lichtenstein sieht das ganz anders und kommentiert, dass man «einer etwaigen Klage gelassen entgegenschaue». Juristenfutter? Fortsetzung folgt.
Kein Club – die Räume an der Bertastrasse 6 werden zurzeit renoviert.
In den nun frei gewordenen Räumen zieht zwischenzeitlich eine Werbeagentur ein. «Dass hier in Zukunft eine Gastrolösung realisiert wird, ist äusserst unwahrscheinlich», schreibt der Hausbesitzer. Die Situation müsse neu evaluiert werden.
Fragen zum Bewilligungsverfahren
Einige Frage bleiben: wie konnte es soweit kommen, dass die Bausektion eine Bewilligung an diesem Ort erteilte, obwohl sie davon ausgehen konnte, dass sich Widerstand gegen einen Club in diesem Wohnquartier bilden würde? Wurde da bei der Vergabe gepfuscht, der Wohnanteil übersehen? Oder sollte damit ein Versuchsballon gestartet werden, um die Grenzen der medial vieldiskutierten «mediterranen Nächte» auszuloten? Klar ist, dass dabei ein Imageschaden zurückbleibt. Zu hoffen ist auch, dass der unsägliche Name «Dicke Berta» aus dem hiesigen Wortschatz verschwindet. Die «Dicke Bertha» war nämlich ein deutsches Geschütz im Ersten Weltkrieg. In diesem Sinn, friedliche Weihnachten!
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Und zuletzt noch dies
Von Syl Betulius erreicht uns folgender Hinweis zum Chor von Sibylle Aeberli und zum Solidaritätslied mit dem iranischen Widerstand:
«Baraye Azadi – für die Freiheit» von Shervin Hajipour
Über diesen Kanal kann man das Video anschauen und teilen:
https://www.youtube.com/watch?v=nVhmmWXfa2s
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