Newsletter 029 Frühling (2019)
Ciao unterdesse, Wiedike!
Veröffentlicht am: 31.03.2019
Ivo und Jessica Mijnssen zieht es nach Wien, doch der Abschied fällt schwer.
Text und Bilder: Ivo Mijnssen
Warum es so schwer ist, Wiedikon zu verlassen, wird an diesem ersten Frühlings-Samstag klar: Der Weg zum Lochergut führt nicht nur an süss duftenden, blühenden Kirschbäumen vorbei, sondern auch gleich noch an einem rosafarbenen Kirschblütenfest am Idaplatz. Und natürlich stehen die Leute vor der Gelateria di Berna bereits wieder Schlange, obwohl es doch gerade erst warm wird. Auch wenn sich das Quartier rasend schnell wandelt – manche Sachen bleiben gleich, zum Beispiel das Meyer’s, wo schon so manche Nacht endete.
Gegen den Uetliberg zu nimmt der Hip-Faktor dann aber rasch ab: Hier grüsst ein alter Mann im elektrischen Rollstuhl die eritreische Familien auf dem Wanderweg, beobachtet von einem majestätischen Greifvogel. Hier verbrennen kleine Hooligans mit Oberlippenflaum feuchtes Holz auf der Feuerstelle und hören lärmende Pfadfinder staunend dem noch lauteren Paar auf der Ruine Friesenberg zu, das über seine Beziehungsprobleme streitet. Und obwohl die Hündeler den Mountainbikern stets einen eiskalten Blick hinterherwerfen, wenn sie vorbeizischen: So richtig schlecht gelaunt kann eigentlich niemand sein.
Warum also gehen? Nun, die Arbeit ruft, denn leider ist die Redaktion eines Quartier-Newsletters keine lukrative Tätigkeit. Deshalb werden Jessica und ich ab April in Wien leben und arbeiten. Wiedikon mit seinen unzähligen wunderbaren Ecken und Menschen werden wir vermissen. Verbunden bleiben wir unserem Quartier trotzdem – und hoffen, es dereinst auch wiederzuerkennen! Bis dann: ciao unterdesse, wir werden dich vermissen.
[an den Seitenanfang]
5G wirft seine Schatten voraus
Veröffentlicht am: 31.03.2019
Der neue Mobilfunkstandard wird auch in Wiedikon neue Antennen notwendig machen – wo, ist noch unklar.
Text und Bild: Pete Mijnssen
Die im Kreis3 aufgestellten Mobilfunkantennen.
Anfang Jahr wurden die Konzessionen für den neuen Mobilfunk-Standard 5G versteigert. Der Marktführer Swisscom will bis Ende Jahr 60 Schweizer Städte und Gemeinden punktuell mit 5G versorgen. Bevor überhaupt Geräte für die neue Technologiestufe erhältlich sind, ist das Anbieter-Rennen um die Aufrüstung auf der Sendeantennen bereits entbrannt. So bestätigt Swisscom-Sprecherin Sabrina Hubacher auf Anfrage von Quartiernetz3, dass dafür neue Antennen gebaut werden müssen. «Viele der bestehenden Standorte in städtischen Gebieten können aufgrund der sehr strengen Grenzwerte nicht weiter ausgebaut werden.» Mit Blick auf den Kreis 3 schränkt sie ein, dass diese Suche sehr schwierig sei und oft lange dauere.
Was die Sendeleistung anbelangt, sollen die bestehenden Funkantennen in einem ersten Schritt in ähnlichen Frequenzen betrieben werden wie 4G oder 3G – «es handelt sich also um bekannte und nicht um neuartige Signale» so die Swisscom. Die Aufrüstung erfolgt, weil immer mehr Daten über das Handynetz übermittelt werden und die bestehenden Frequenzen technisch bald ausgeschöpft sind.
Bezüglich der befürchteten zusätzlichen Gesundheitsbelastung der Bevölkerung verweist die Swisscom auf zahlreiche Studien der Weltgesundheitsorganisation sowie des Bundesamts für Umwelt. Bekanntlich verfügt die Schweiz über die strengsten Grenzwerte weltweit. Im Parlament ist vor dem Hintergrund der neuen 5G-Technologie nun die Kontroverse entbrannt, ob die Grenzen aufgeweicht werden sollen. Dennoch ist sich die Fachwelt (noch) nicht einig, welche Auswirkungen die 5G-Technologie auf den Mensch haben könnte. Klar ist jedoch jetzt schon, dass auch in Wiedikon über kurz oder lang umgerüstet wird.
www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/frequenzen-antennen/standorte-von-sendeanlagen.html
[an den Seitenanfang]
Eine neue Stube für Wiedikon
Veröffentlicht am: 31.03.2019
Das Restaurant Seebähnli sorgt an der Kalkbreitestrasse neben den Geleisen für frischen Wind.
Text: Ivo Mijnssen, Bild: zVg
Das renovierte Seebähnli ist nicht zu übersehen.
Besonders charmant ist die Ecke Seebahn- und Kalkbreitestrasse auf den ersten Blick nicht. Autos und Züge rumpeln um die Wette, Pendler hetzen vom Bahnhof heimwärts. Doch durch die Scheiben des Restaurants Seebähnli gesehen, wird das Treiben zu einer meditativen Bewegungsabfolge, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Geht es nach Sebastian Hefti, dem Wirt des neuen Lokals, soll dieser Ort des Transits zu einem neuen Zentrum werden – und das Seebähnli zur «Stube für Wiedikon».
Die Eigentümerin, Stiftung Ponte Projektfonds, hat letztes Jahr das gesamte denkmalgeschützte Gebäude, einen auffälligen, modernistischen Bau aus den fünfziger Jahren, renoviert und umgebaut. «Casa Mondiale» heisst das; es ist zugleich Kulturzentrum, Speiselokal, Geschäftshaus und Integrationszentrum. In den oberen Stöcken befinden sich Büros und Wohnungen, wobei nur die Hälfte der Mieter Marktpreise bezahlt und damit den Rest quersubventioniert. So ist Wohnraum entstanden für Asylsuchende aus Sri Lanka und Eritrea; das Hofhaus mietet die Migrantinnenorganisation Femia.
All diese Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen, sei nicht einfach, gesteht Hefti: «Wir haben viel versprochen, das wir halten müssen, und das braucht Zeit.» Das rauschende Eröffnungsfest Ende September habe eine grosse Euphorie ausgelöst, doch der Alltag erwies sich als prosaischer: Noch ist das Café/Restaurant mit seiner frischen, lokalen Küche ein Geheimtipp.
Für den Kulturraum «Scaletta» des Seebähnli, der einem kleinen Amphitheater ähnelt, erhofft sich Hefti Impulse aus Quartier und Stadt. «Das neue Seebähnli ist ein Begegnungsort, doch wir sind noch am Einrichten», fasst Sebastian Hefti zusammen. Das Quartier sei dabei, diesen zu entdecken, und im Seebähnli entstehe eine Stammkundschaft. Dass die Ecke viel Potenzial hat, zeigt ihre Wandlung in den letzten Jahren, besonders seit dem Bau der architektonisch ebenfalls auffälligen Genossenschaftssiedlung Kalkbreite gegenüber dem Bahngeleise.
Für den Wirt Sebastian Hefti und die Seebähnlicrew ist dies aber erst der Anfang: Sie wünschen sich eine smarte Überdeckelung der Geleise, damit hier ein kleiner Bahnhofplatz und vielleicht ein neuer Seebahn-Park entstehen würden. Das mag utopisch klingen. Betrachtet man jedoch die radikale Verwandlung der benachbarten Weststrasse, ist Träumen durchaus erlaubt.
[an den Seitenanfang]
Städtisches Quartierlabor
Veröffentlicht am: 31.03.2019
Stadt und Quartiervertreter sind dabei, ihre Zusammenarbeit neu zu definieren.
Text: Hannes Weber, Foto: zVg
Vertreter der Stadt und Quartierakteure stecken die Köpfe zusammen.
Die Stadt Zürich und mit ihr die Quartiere haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Traditionellerweise bilden die 25 Quartiervereine dabei die Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bevölkerung. Doch heute stellt sich die Frage, ob dieses System noch den Anforderungen einer vielfältigen und dynamischen Grossstadt entspricht und wer im Quartierchor neu alles mitsingen will und soll. Um dies auszuloten, organisierten die Sozialen Dienste und das Amt für Raumentwicklung Anfang Jahr eine Konferenz mit allen Akteuren.
Zur Eröffnung fand zusammen mit Stadtpräsidentin Corine Mauch und Sozialvorsteher Raphael Golta eine Auslegeordnung statt. Die unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse waren Thema des ersten Abends. Man war sich einig, dass die Stadt Zürich punkto Finanzen, Ressourcen, Strukturen und Knowhow gut funktioniert. Die Zusammenarbeit und die Kommunikation mit der Verwaltung bewerten die meisten Gruppen positiv.
Sorgen bereitet die zunehmende Passivität vieler Bewohner. Diskutiert wurden auch Veränderungen wie der Abbau des Service Public, das Quartier-Lädelisterben und die 24-Stunden-Gesellschaft. Vernetzungen finden (wenn überhaupt) immer mehr über das Internet und die sozialen Medien statt. Dort müsste vermehrt angesetzt werden. Denn die meist ehrenamtlich tätigen QuartierakteurInnen leisten einen wichtigen Beitrag zum sozialen Kitt.
Die Quartiervereine hatten dem Prozess mit einiger Skepsis entgegengesehen. Sie befürchteten, dass ihre Stimme weniger gehört wird und weniger finanzielle Mittel fliessen werden. Wie die NZZ nun feststellt, konnte die Konferenz diese Skepsis etwas verkleinern. Positiv äusserten sich auch die quartiervereinsähnlichen Organisationen, die an der Konferenz stellvertretend für die zunehmende Quartier-Vielfalt standen.
[an den Seitenanfang]
Die Babette ist tot. Es lebe die Babette!
Veröffentlicht am: 31.03.2019
Das französisch angehauchte Lokal erhält unter neuer Führung eine sanfte Auffrischung.
Text und Bild: Stefan Claudio
Die Babette gehört zum Quartier.
Eine Bertastrasse und ein Idaplatz ohne Restaurant Babette ist mittlerweile schwer vorstellbar. Die Babette gibt zusammen mit Lokalen wie dem Piazza oder dem renovierten Calvados dem umgebauten Idaplatz und den damit einhergehenden Veränderungen in Wiedikon ein Gesicht. Weit über die Quartiergrenzen für seine Crêpes und die französisch angehauchte Küche bekannt, wurde das Lokal Anfang Oktober 2018 einer sanften Renovation unterzogen und eröffnete unter neuer Führung.
Diese ist in der Zürcher Gastroszene nicht unbekannt. Andi Handke und Timon Ruther übernahmen vor 8 Jahren das Restaurant Mühletal und erkochten sich mit einer bodenständigen, auf lokalen Zutaten basierenden Schweizer Küche einen guten Ruf. Da die Aufwertung des innerstädtischen Raumes auch vor dem Kreis 5 nicht Halt macht, mussten die beiden das Lokal aufgeben, weil die Miete nicht mehr bezahlbar war. Eine Türe schloss sich, doch eine andere ging auf: Kurz darauf konnten die beiden das Restaurant Holzschopf im Kreis 5 übernehmen und bekochten während gut 4 Jahren ihre Stammkundschaft. Aber auch hier zwang sie der steigende Mietzins zur Aufgabe.
Praktisch gleichzeitig entschlossen sich die beiden bisherigen Pächterinnen des Restaurant Babette, Tine Giaccobo und Kathrin Sinniger, nach gut 11 Jahren kürzer zu treten. So bekam im Rahmen einer Ausschreibung die Mühletal Gastro GmbH den Zuschlag für die Babette.
Kulinarisch änderte die neue Führung nur wenig. So sind die Crêpes und Galettes, die dem Babette den französischen Touch verleihen, weiterhin erhältlich. Ergänzt wird das ganze durch täglich mindestens zwei verschiedene Menüs sowie frische Suppen und Salate. Die Zutaten liefern lokale Produzenten. Ebenso geben sich von Zeit zu Zeit Gastköche die Ehre, welche das Restaurant auch mal in andere kulinarische Richtungen führen. Da das Lokal bereits nach einem Brand im Winter 2017 komplett renoviert werden musste, wurde das optische Erscheinungsbild leicht angepasst. So wurden die Toiletten neu gestrichen und verleiht der eine oder andere zusätzliche Pinselstrich im Speiseraum, ebenso wie das nun einheitlicher gekleidete Personal, dem ganzen einen frischeren Look.
[an den Seitenanfang]