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Die «Tres Hombres»: vom Kriegskutter zum Klimarebellen-Symbol.

Einmal gesegelter Kaffee mit Buch, bitte!

Kaffee aus kleiner und fairer Produktion hat Konjunktur. Sei es aus Afrika oder Südamerika. Eine spezielle Nische besetzt die Marke Atinkana, die mit der Bezeichung «gesegelt, nicht getankert» wirbt. Was steckt dahinter?


Pete Mijnssen (Text), Foto zVg

Als Greta Thunberg 2019 an den UNO-Klimagipfel von Plymouth nach New York segelte, brachte ihr das viele Sympathien und mediale Aufmerksamkeit ein. Aber vielerorts wurde dies auch als Sozial-Romantik belächelt und abgetan. Wer der vielbeschäftigten Spitzenpolitiker segelt schon an ein internationales Gipfeltreffen, ausser einer Klimaaktivistin?

Kriegskutter wird zum Fairtrade-Flaggschiff
Einer, der in diesem Zeitraum auch in ein Segelboot stieg und darüber ein Buch schrieb, ist der Journalist Daniel Haller. Der gestandene Aktivist und Journalist heuerte im besagten November als Praktikant auf dem Schiff «Tres Hombres» an. Dabei handelte es sich nicht etwa um eine Ferienreise, den jeder muss dort mitanpacken. Auf dem bald achtzigjährigen, ehemaliger Kriegsfischkutter gibt es immer etwas zu tun. 150 Freiwillige aus 25 Nationen hatten den schwer lädierten Kahn in 160.000 Arbeitsstunden zum Flaggschiff der ersten emissionsfreien Handelsflotte zurechtgemacht. Seit 2010 werden damit fair gehandelte Produkte ausschließlich unter Segeln aus der Karibik nach Europa gebracht.

So segelte auch Haller mit der Crew durch die Nordsee und die Biskaya über den Atlantik in die Karibik. Von dort Anfang Mai dann wieder zurück nach Holland, den Schiffsbauch prallvoll mit Rum, Kakao- und Kaffeebohnen aus fairer Produktion. Der an Bord der «Tres Hombres» mitsegelnde Journalist verband seinen Reisebericht mit viel Hintergrundwissen zu Schiffsabgasen und Klimabelastung.

Neunzig Prozent des Welthandelstransports auf dem Meer
Spätestens seit der Pandemie und der verbunden Lieferketten-Krise ist die Schiffahrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auf einmal offenbarte sich brutal, wie der gesamte Welthandel von der Schiffahrtsindustrie abhängt. Um den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten, setzt diese auf Effizienz durch immer noch grössere Schiffe. Sie tut dies in einem vorläufig noch fast rechtsfreien Raum. Denn der damit verbundene Schadstoff-Ausstoss ist in den aktuellen Klima-Abkommen (noch) nicht geregelt. So werden auf den Weltmeeren nicht nur die meisten Abfälle wild entsorgt, auch die Motoren der Containerschiffe gleichen Sondermülldeponien, wo alle erdenklichen Giftstoffe auf offener See verbrannt werden. Zwar investieren inzwischen namhafte Firmen in neuartigen Antriebssysteme und reagieren in die Entwicklung nichtfossiler Treibstoffe auf die Klimakrise. Und retten damit nicht zuletzt die Geschäftsmodelle mächtiger Energiekonzerne. Der Welthandel, dessen Transporte zu 90 Prozent auf den Meeren abgewickelt werden, bleibt dabei aber unangetastet.

Es geht auch anders
So sind die paar Tonnen Bioprodukte, welche die wachsende Bewegung der segelnden Frachtrebellen befördert, nur ein Tropfen auf einem heissen Stein. Aber sie zeigt auf: Es geht auch anders. Denn vieles muss anders werden, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Beispielsweise indem man die an Land entstehende Transportnachfrage auf ein sozial- und naturverträgliches Mass reduziert. Das ist die Botschaft, die man beim Genuss der nächsten Tasse (des vorzüglichen) Kaffee bedenken sollte.


Daniel Haller
Klar zur Wende!
370 Seiten, 2022
Ca. 25.– Franken
Edition8.ch

Café Atinkana
Kalkbreitestrasse 33
Geöffnet von Montag bis Samstag
cafe.atinkana.org