Der Guerrillagärtner ist tot
Seine Blumen machten Zürich wilder und schöner. Nun ist Maurice Maggi verstorben.
Pete Mijnssen (Text und Foto)
Die beiden Mädchen, die an der Bertastrasse Wildblumen am Strassenrand pflücken wissen nicht, wem sie dies zu verdanken haben. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass im Sommer an vielen Orten in Zürich wilde Blumen an der Strasse wachsen.
Sie – und wir alle, verdanken es dem «Guerillagärtner» Maurice Maggi. Vor 40 Jahre zog er erstmals los, um heimlich Malvensamen an Zürichs Strassenrändern auszusäen. Seither war er jeden Frühling unterwegs und begrünte auf eigene Faust die Stadt dort, wo sie ihm allzu kahl und grau erschien.
Der Malvenkönig
Maggi schätzte die Farbenpracht der Stockmalven – ein genügsames Gewächs, das längere Trockenperioden im Asphaltdschungel zu überstehen vermag. Die Malven würden den Verkehr beruhigen, war er überzeugt.
Und Maggi war noch viel mehr. Der autodidaktische Koch führte in den 90er-Jahren das SP-nahe Lokal Café Boy (heute geschlossen), eröffnete das Primitivo am Oberen Letten und konzipierte das asiatische Restaurant Lily’s mit, welches damals die verruchte Langstrasse chic machte. Im 2014 erschienenen Buch «Essbare Stadt» zeigte er, was sich Feines mit Wildpflanzen zubereiten lässt, die in Zürich zu finden sind.
Nachts unterwegs
Seine Malven, zu denen später weitere gut 50 Wildblumenarten dazukamen, bezeichnete Maggi als «Blumengraffiti»: Wie ein Sprayer kundschaftete er die Orte aus, an denen seine Kunst zur Geltung kommen sollten, um dann später bei Nacht und Nebel aktiv zu werden. Aus amtlichen Mitteilungen erfuhr er, wo Alleebäume gepflanzt wurden. In die noch lockere Erde streute er seine Samen.
Maurice Maggi, der Malvenkönig. (Foto: Andrea Zahler)
2004, nach 20 Jahren, lüftete der bescheidene Gärtner sein bis dahin wohlgehütetes Geheimnis und zeigte an einer Ausstellung im Message Salon die Notizen, Skizzen und Fotodokumentationen in seiner Mission, die Stadt grüner und wilder zu machen.
Er wolle in den sterilen Neubauquartieren von Zürich Akzente setzen und Nischen schaffen, in denen sich nicht alles durchplanen und vorbestimmen lasse, sondern andere mitbestimmen könnten, sagte er im Dokumentarfilm «Floraler Anarchist» von Roland Achini (2009) -> Link. Seine Samenbomben waren ein stiller und geduldiger Protest gegen das von Städteplanern und Architekturbüros verordnete Geordnete.
Seine letzte Station war das Lighthouse in Zürich. Ende September verlor er den Kampf über die unheilbare Autoimmunkrankheit ANCA-Vaskulitis. Maurice Maggi wurde 69 Jahre alt. Wer führt wohl sein Erbe nun weiter?